- Lokalgruppen
- >Deutschland
- >Baden-Württemberg
Lokalgruppe:Mannheim
Nächste Aktionen
Kontakt
Du hast Interesse an der Seebrücken-Arbeit? Du verfolgst das Geschehen im Mittelmeer und fragst dich, was du persönlich tun kannst? Oder du möchtest einfach mal hören und schauen, was so der Stand der Dinge ist, wer bei uns dabei ist und an was wir aktuell arbeiten und planen? Dann melde dich bei uns und schließe dich der Bewegung an!
Wir treffen uns regelmäßig
14-täglich Sonntags um 19 Uhr
in der Mannheimer Innenstadt oder per Telko, um uns über das aktuelle Geschehen auszutauschen und Aktionen zu planen.
Genauere Infos zum Treffen findet Ihr auf Facebook, Twitter, Instagram oder schickt uns eine Mail.
Wir freuen uns immer über Mitstreiter*innen! Vorerfahrungen sind dafür nicht nötig.

"Places of Isolation" - Installationen:Wegweiser
Die Seebrücke stellt im Rahmen der bundesweit koordinierten Aktion "Places of Isolation" Kunstinstallationen im öffentlichen Raum in über 15 Städten auf. Mit orangenen Wegweisern werden Orte der europäischen Abschottung markiert und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen im Alltag sichtbar gemacht. Es geht dabei um Orte, die sowohl symbolisch als auch ganz konkret für die Abschottung Europas stehen. Markiert werden u.a. verschiedene Institutionen und Behörden, Flughäfen aber auch Lager und Grenzanlagen an den europäischen Außengrenzen.
Die Wegweiser werden dauerhaft an belebten Orten in über 15 deutschen Innenstädten aufgestellt und dienen gleichermaßen als humanitäre Orientierungshilfe als auch als Mahnmal gegen die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Europa. Dabei soll insbesondere sichtbar gemacht werden, wie alltäglich und nah etwa Abschiebungen stattfinden, wie tagtäflich Menschen in Abschiebegefängnissen oder Lagern mitten in Europa inhaftiert werden oder wie Schutzsuchende systematisch an einem sicheren Grenzübertritt gehindert werden.
Im Mannheimheimer Stadtbild sind aktuell vier Wegweiser sichtbar: an der Alten Feuerwache, am ALTER, im Haus der Katholischen Kirche und am peer23.
Erfahre hier mehr über die "Places of Isolation" (Orte der Abschottung):
Bild des Wegweisers bei der Alten Feuerwache
Bild des Wegweisers beim Alter
Bild des Wegweisers beim Peer23
Bild des Wegweisers im Haus der Katholischen Kirche
Das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt. Jedes Jahr werden über 1.000 Menschen, die versucht haben, über das Mittelmeer zu fliehen, als vermisst oder verstorben gemeldet. 2022 waren es mehr als 1.940 Menschen - wobei die tatsächliche Zahl an Todesopfern deutlich darüber liegen dürfe. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Januar dieses Jahres so viele Menschen ertrunken wie seit sechs Jahren nicht mehr.
Es gibt so gut wie keine sicheren Fluchtwege in die EU. Deshalb sehen sich viele Menschen auf der Suche nach Sicherheit und Frieden gezwungen, die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer anzutreten, oft in seeuntüchtigen Booten. Obwohl es eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung in Seenot geratener Menschen gibt, existiert kein europäisches Seenotrettungsprogramm. Diese fehlenden Strukturen versuchen zivile Seenotrettungsorganisationen zu kompensieren, doch auch ihre Arbeit wird zunehmend erschwert. Ganz aktuell etwa vom FDP-geführten deutschen Verkehrsministerium, das eine neue Schiffssicherheitsverordnung plant, die die zivile Seenotrettung massiv einschränken wird. Auch wenn es gelingt, Flüchtende aus Seenot zu bergen, weigern sich Mittelmeer-Anrainerstaaten immer wieder, die Schiffe in Häfen einlaufen und Flüchtende an Land gehen zu lassen – trotz zum Teil dramatischer humanitärer Notsituation an Bord. So weist die ultrarechte Regierung Italiens den Seenotrettungs-NGOs systematisch Häfen im Norden Italiens zu, damit die Schiffe mehr Zeit benötigen, um wieder in die Search and Rescue (SAR)-Zone zu fahren und dort Menschen vor dem Ertrinken zu retten.
Immer wieder werden Menschen auf der Flucht auf dem Mittelmeer Opfer sogenannter Pushbacks. Es gibt zahlreiche Berichte dazu, wie Flüchtende, die es bereits in küstennahe Gewässer oder sogar an die Küste geschafft hatten, zurück aufs offene Meer gedrängt oder geschleppt werden, oft unter Einsatz brutaler Gewalt. Im zentralen Mittelmeer ist es zudem gängige Praxis, dass Boote an die „libysche Küstenwache“ gemeldet werden, die diese dann nach Libyen zurückbringt. Dies widerspricht Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Zurückweisung von Flüchtenden in Gebiete untersagt, in denen ihr Leben und ihre Freiheit bedroht ist.
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/mittelmeer
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/griechenland-prozess-mardini-101.html
https://krautreporter.de/3886-die-todlichste-grenze-der-welt-verstandlich-erklart
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/un-tote-migranten-fluechtlinge-mittelmeer-route-100.html
Ende 1991 wurde in dem Mannheimer Stadtteil Schönau eine Sammelunterkunft für geflüchtete Menschen, zu meist kurdischer und jugoslawischer Herkunft eingerichtet. Von Beginn an war die Stimmung angespannt, die Anwohnenden lehnten die Einrichtung ab. Ende Mai kam es zu rassistischen Ausschreitungen gegen das Sammellager, in dem über 200 Menschen lebten. Ausgelöst durch ein falsches Gerücht zog Ende Mai mehrere Abende lang ein Mob von teilweise bis zu 150 Personen vor die Unterkunft. Am 28.05. eskalierte die Lage, immer mehr Menschen kamen dazu. Rund 400 Menschen bedrohten die Bewohnenden und warfen mit Steinen, Flaschen und Böllern. Auch wenn die Polizei schnell vor Ort war, mussten die Bewohnenden weiterhin in Angst in der Unterkunft ausharren. Immer wieder kam es zu weiteren Bedrohungssituationen. Die lokale und überregionale Presse, sowie der damalige Bürgermeister verharmlosten die Situation. Antirassistische Gegenproteste, die sich nach dem 28.05. formierten, wurden kriminalisiert. So wurde eine große am 06.06. geplante Demonstration verboten und von der Polizei brutal zerschlagen. Bis heute erinnert vor Ort nichts an die rassistischen Vorfälle. Die alte Kaserne ist mittlerweile abgerissen.
Der Evros ist der Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland, der somit zugleich eine EU-Außengrenze markiert. Viele Flüchtende versuchen, den Fluss auf der Suche nach Sicherheit und mit dem Wunsch, in Europa einen Asylantrag zu stellen, zu überqueren. Die Region um den Grenzfluss ist Schauplatz brutaler und gewaltvoller Pushbacks (d.h. illegaler Zurückweisungen in die Türkei) durch griechische Sicherheitskräfte. Pushbacks sind völkerrechtswidrig, denn sie widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention: Kein asylsuchender Mensch darf einfach so in ein Land zurückgedrängt werden, in dem seine Sicherheit bedroht ist. Menschen werden dabei außerdem systematisch misshandelt, ausgeraubt, und inhaftiert. Immer wieder ertrinken Menschen, die gezwungen werden, den Fluss erneut in Richtung der türkischen Seite zu durchqueren. Die Gewalt am Grenzfluss Evros ist gut dokumentiert, bleibt jedoch in den meisten Fällen ohne Konsequenzen.
In der letzten Zeit wird vor Ort sukzessiv eine Grenzmauer eingerichtet. Auch wenn die EU es diesmal ablehnte, für Kosten der Abschottung aufzukommen, hält die griechische Regierung an dem Vorhaben fest. Erst im März verkündtete der Ministerpräsident Mitsotakis, dass der Zaun um weitere 35 Kilometer verlängert werden soll. Dies wird nicht dazu führen, dass weniger Flüchtende ankommen - sondern die Folge ist eine immer riskantere Flucht und mehr Tote.
Das Innenministerium in Stuttgart selbst berichtet auf seiner Homepage davon, eigene Beamte zur Unterstützung von Frontext an die EU-Außengrenzen zu entsenden: "Zur Bewältigung der hohen Migrationsströme nach Europa bzw. nach Deutschland hat die Europäische Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) seine Einsätze an den Außengrenzen der EU erheblich intensiviert. Wesentliches Ziel der Bemühungen ist die gezielte Steuerung sowie gleichzeitige Abschwächung der Binnenmigration in Europa. Aktuell sind über 1.500 Polizeibeamtinnen und -beamte aus den EU-Mitgliedsstaaten an sogenannten „Hot-Spots“ bei der Identifizierung, Registrierung und Abnahme von Fingerabdrücken im Einsatz. Die Polizei Baden-Württemberg unterstützt die Europäische Grenz- und Küstenwache seit dem Beginn der Maßnahmen im Dezember 2015." Dass Frontex nicht nur mit nationalen Grenzschützer*innen, die nachweislich illegale Pushbacks durchführen, kooperiert, sondern ihnen von Aktivist*innen immer wieder auch eine Beteiligung an solchen Pushbacks vorgeworfen wird, ist im Abschnitt zur Balkanroute nachzulesen.
Aktuell gibt es wenig Aufmerksamkeit für die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze, doch weiterhin versuchen Menschen, die Grenze zu überqueren und werden dabei gewaltvoll zurückgedrängt. Im Jahr 2021 begann Polen, an der Grenze zu Belarus einen 2,5 m hohen Zaun zu errichten. Es wurde entschieden, eine „solide Barriere mit Überwachungssystem und Bewegungsmeldern“ zu errichten. Der Bau des Grenzzauns erfolgte von Januar bis Juni 2022.
Das Parlament Polens hat beschlossen, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Grenzschützer*innen können nach polnischem Recht selbst entscheiden, ob sie den Schutzsuchenden die Chance gewähren, einen Asylantrag zu stellen. Im Winter 2022/23 wurden Flüchtende Opfer von Pushbacks und brutaler Gewalt bei Eiseskälte. In den letzten 1,5 Jahren wurden nach Angaben der polnischen Grenzbeamt*innen mehr als 50.000 Pushbacks nach Belarus durchgeführt.
Immer wieder werden Menschen im Grenzstreifen vermisst oder tot aufgefunden. Fliehende Menschen werden mit brachialer Gewalt zurück in die Wälder gedrängt.
Im Grenzgebiet zwischen Litauen und Belarus kommt es ebenfalls zu brutalen Pushbacks, Flüchtende verloren Zehen und Beine, teilweise erfroren sie. Humanitäre Organisationen und Journalist*innen werden vom Betreten des Grenzgebiets abgehalten. Im Januar hat die litauische Regierung eine Regelung erlassen, welche Pushbacks als offizielle Vorgehensweise formalisiert. Das verstößt eindeutig gegen internationales Recht, da Menschen auf der Flucht ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, verwehrt wird.
Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Grenze_zwischen_Belarus_und_Polen, Zugriff: 13.02.2023
Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Migrationskrise_an_der_Grenze_zwischen_Belarus_und_der_Europ%C3%A4ischen_Union#Polen/Belarus, Zugriff: 13.02.2023
Seebrücke, https://www.seebruecke.org/aktuelles/weitere-pushbacks-bei-eiseskaelte, Zugriff: 13.02.2012
Seebrücke, https://www.seebruecke.org/aktuelles/cn-tod-30-jaehrige-stirbt-im-polnisch-belarussischen-grenzgebiet-26-jaehriger-mohammed-seit-ueber-20-tagen-im-hungerstreik, Zugriff: 16.02.2023
Seebrücke, https://www.seebruecke.org/aktuelles/cn-tod-4-leichname-an-der-pol-bel-grenze-gefunden-menschen-vermisst, Zugriff: 13.02.2023
Seebrücke, https://www.seebruecke.org/aktuelles/grenzgebiet-litauen-belarus-zugang-fuer-humanit-organisationen-und-journalist-innen-blockiert, Zugriff: 13.02.2023
Am Frankfurter Flughafen, nur ca. 60 km Luftlinie von uns entfernt, werden regelmäßig Sammelabschiebungen von geflüchteten Menschen vollzogen. Im März 2023 wurde etwa ein Abschiebeflug nach Pakistan organisiert. Und obwohl seit Dezember 2022 aufgrund der dramatischen menschenrechtlichen Lage im Land ein Abschiebestopp in den Iran vereinbart wurde, wurden im letzten Monat zwei iranische Personen am Frankfurter Flughafen aus Deutschland ausgewiesen. Immer wieder werden die Asyl-Schnellverfahren an Flughäfen (sogenannte "Flughafenverfahren") kritisiert, etwa berichtet eine Studie im Auftrag von ProAsyl: "Juristisch gesehen reisen Asylsuchende, die mit dem Flugzeug ankommen, während des Flughafenverfahrens nicht nach Deutschland ein. Sie werden in einer Unterkunft am Flughafen festgehalten und abgeschottet. Innerhalb von nur 19 Tagen muss ihr Asylverfahren, inklusive Rechtsschutz, abgeschlossen werden. Hinter verschlossenen Türen werden so die allermeisten Schutzsuchenden unter hohem Zeitdruck abgelehnt." Berichte einer kirchlichen Verfahrensberaterin betonen, dass Betroffene unter haftähnlichen Bedingungen am Flughafen ausharren müssen und enormem psychischen Druck ausgesetzt sind - was ihnen wiederum die Anhörung für ihr Asylverfahren erschwert.
Die „Balkanroute“ beschreibt die Fluchtroute von der Türkei nach Westeuropa. Sie wird seit Jahrhunderten für Handel- und Warentransfer, als Reiseroute und auch von Menschen auf der Flucht genutzt. Die „Balkanroute” als „Fluchtkorridor” existierte bereits vor den Migrationsbewegungen 2015 und der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit. EU-Politik und die Etablierung strenger Grenzregime führen dazu, dass sich die Route dynamisch verschiebt, da Menschen gezwungen sind, andere Wege nach (West-)Europa zu wählen. Entlang der sogenannten „Balkanroute“ sind Gewalt, Schüsse und Pushbacks inzwischen traurige Normalität. Menschen leben unter elenden Bedingungen in Lagern, auf der Straße oder in improvisierten selbstorganisierten Camps und werden Opfer von brutaler Polizeigewalt an den Grenzen. Solidaritätsbewegungen aus der Bevölkerung werden systematisch unterbunden und die deutsche Regierung bleibt tatenlos unter dem Vorwand, auf eine „europäische Lösung“ zu warten. Stattdessen werden Transitländer mit der Versorgung der ankommenden Flüchtenden allein gelassen, sie werden zudem als Torhüter der EU im Ausführen von Pushbacks bestärkt.
Vor allem in den Hauptstädten oder in der Nähe wichtiger Grenzübergänge bilden sich Camps und „Hotspots“ (informelle Camps), wo es den Geflüchteten am Nötigsten fehlt, und sie zudem der Polizei und Rechtsradikalen schutzlos ausgeliefert sind. Die Behörden versuchen dies durch die Errichtung offizieller Camps zu verhindern, z.B. in Zusammenarbeit mit großen internationalen NGOs wie dem Roten Kreuz oder IOM. Auch hier sind Gewalt und Korruption präsent, zudem sind die Camps kilometerweit von Stadtzentren entfernt und verfügen über Ausgangsbeschränkungen. Unautorisierte Grenzüberquerungen („Games“) sind die einzige Möglichkeit für Flüchtende, in die EU zu kommen, und diese sind (vor allem im Winter) lebensgefährlich. An fast jeder Grenze werden Pushbacks von Organisationen wie dem Border Violence Monitoring Network (BVMN) dokumentiert. Nicht nur schweigt die EU hierüber, sie unterstützt Pushbacks sogar indirekt, indem sie Frontex-Polizist*innen entsendet und nationalen Grenzschutz finanziell unterstützt. Frontex ist in Griechenland, Kroatien und Ungarn aktiv, wo sich Vorwürfe häufen, denenzufolge Frontex-Beamt*innen selbst an Pushbacks beteiligt sein sollen. Zudem kooperiert Frontex mit nationalen Polizeibehörden, deren Verstrickung in illegale Abschiebungen belegt ist (z.B. in Ungarn, Griechenland, Kroatien, u.a.). Dennoch genießen Frontex-Beamt*innen in ihren Funktionen weitreichende Immunität, die auch vom Europäischen Gericht für Menschenrechte nicht eingeschränkt werden kann.
Weitere Informationen finden sich bei der Balkanbrücke (https://balkanbruecke.org/), einem Zusammenschluss aus Aktivist*innen, die auf die Situation von Flüchtenden entlang der sogenannten „Balkanroute“ aufmerksam machen.
Balkanbrücke, https://balkanbruecke.org/entwicklung-der-balkanroute/, Zugriff: 16.02.2023
Balkanbrücke, https://balkanbruecke.org/die-lage-auf-dem-balkan/, Zugriff: 16.02.2023
Balkanbrücke, https://balkanbruecke.org/folgen-der-abschottungspolitik/, Zugriff: 16.02.2023
Seit 2016 existiert die "Abschiebehafteinrichtung" in Pforzheim, um die geplante Abschiebung von Personen sicherzustellen, denen "Fluchtgefahr" unterstellt wird. Der Begriff "Fluchtgefahr" bietet den zuständigen Behörden dabei viel Interpretationsspielraum. Das Konzept derartiger Abschiebegefängnisse wird immer wieder kritisiert: Menschen, die keine Straftaten begangen haben, werden isoliert und kriminalisiert; meist stehen ihnen keine Anwält*innen zur Verfügung und sie müssen in oft wochenlang in einer psychischen Ausnahmesituation ausharren. Aus Angst vor ihrer Rückführung in Kriegs- und Krisengebiete greifen manche inhaftierte Personen zu drastischen Mitteln wie Hungerstreiks bis hin zu Suizidversuchen. Sogar die Inhaftierung von Kindern in Abschiebehafteinrichtungen oder die bewusste Trennung von Familienmitgliedern durch Abschiebehaft sei schon vorgekommen. In der Einrichtung in Pforzheim beklagen Seelsorger*innen seit Längerem, dass ihnen der Zugang zu inhaftierten Personen eingeschränkt wird, die dringend auf psychologisch / seelsorgerische Versorgung angewiesen sind.
Es ist eine wesentliche Strategie der europäischen Abschottungspolitik, Flüchtende möglichst nah an den Außengrenzen festzuhalten. Ein politischer Aspekt, der das begünstigt, ist das sogenannte Dublin-Abkommen. Es besagt, dass jener Staat, in dem Geflüchtete erstmals registriert werden, für deren weiteres Asylverfahren zuständig ist. In der Konsequenz bedeutet das, dass Grenzstaaten wie Griechenland für überproportional viele Geflüchtete zuständig sind. Viele von ihnen werden in menschenunwürdigen Camps auf den ägäischen Inseln festgehalten. Durch die Verschleppung von Verfahren und lange Verfahrensdauern sitzen Menschen teilweise über Jahre auf den griechischen Inseln fest. Die Lager sind darüber hinaus vielfach auf wesentlich geringere Zahlen von Menschen und auf kurze Aufenthalte ausgelegt.
Ein besonders extremes Beispiel stellt das Lager Moria auf Lesbos dar. Es war für ca. 3.000 Menschen konzipiert, zeitweise lebten dort aber bis zu 16.000 Menschen unter katastrophalen Zuständen. Nachdem Moria 2020 bei einem Großbrand zerstört wurde, versprach die EU „No More Morias“. Tatsächlich aber bestehen die Lagerstrukturen auf den ägäischen Inseln fort, etwa in Kara Tepe. Die Lebensumstände dort sind charakterisiert durch unzureichende Nahrungsversorgung, sehr schlechte medizinische Versorgung und katastrophale hygienische Zustände. Eine besorgniserregende Entwicklung ist auch, dass es sich bei neu gebauten Camp-Strukturen (etwa auf der Insel Samos) um Hochsicherheitslager mit gefängnisartigen Strukturen handelt.
Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern sind gewollt und ein bewusstes Element der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik. Es handelt sich nicht um eine „humanitäre Katastrophe“, sondern um die Folgen gewollter politischer Entscheidungen. Inzwischen gibt es sogar Gerichtsurteile, die bestätigen, dass die Bedingungen in den Lagern gegen Menschenrechte verstoßen.
Seit 2018 wird die Rettungszone vor der libyschen Küste nicht mehr von Italien, sondern von Libyen selbst verwaltet. Dafür unterstützt die EU die sogenannte libysche Küstenwache finanziell und informationell. Etwa versorgt sie die "Küstenwache" mit Ausrüstung, bildet ihre Kräfte aus oder liefert ihr (über die EU-Grenzschutzagentur Frontex) Geoinformation, um Boote auf dem Mittelmeer zu orten - wohlwissend, dass die libysche Küstenwache Flüchtende mit brutalen Mitteln auf dem Mittelmeer abfängt und illegale Pushbacks ausführt, d.h. die Menschen zurück nach Libyen schiebt. In Libyen selbst sind Flüchtende schlimmsten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, von willkürlichen Inhaftierungen bis hin zu Folter und Menschenhandel. Vorwürfen von NGOs zufolge sei die "libysche Küstenwache" selbst in Menschenhandel verwickelt. Die massive Gewalt gegen Flüchtende an Land und vor der libyschen Küste ist seit Jahren bekannt. Trotzdem kooperiert die EU mit dem Land, um Flucht nach Europa zu unterbinden. Mit Libyen als sogenanntem "Türsteher der EU" umgeht die EU, rechtliche Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen zu übernehmen, die sie mitfinanziert.