Du hast Interesse an der Seebrücken-Arbeit? Du verfolgst das Geschehen im Mittelmeer und fragst dich, was du persönlich tun kannst? Oder du möchtest einfach mal hören und schauen, was so der Stand der Dinge ist, wer bei uns dabei ist und an was wir aktuell arbeiten und planen? Dann melde dich bei uns und schließe dich der Bewegung an!
Wir treffen uns regelmäßig jeden 2. und 4. Sonntag im Monat um 19 Uhr
in der Mannheimer Innenstadt oder per Telko, um uns über das aktuelle Geschehen auszutauschen und Aktionen zu planen. Genauere Infos zum Treffen findet Ihr auf Facebook, Twitter, Instagram oder schickt uns eine Mail. Wir freuen uns immer über Mitstreiter*innen! Vorerfahrungen sind dafür nicht nötig.
Bezahlkarten:Offener Brief
Zusammen mit 18 anderen Mannheimer Einrichtungen sendeten wir einen offene Brief an OB Specht, Bürgermeister Riehle, Dr. Hildebrandt (Verwaltung) und an Stadträt:innen, MdLs und MdBs der demokratischen Parteien in #Mannheim:
OFFENER BRIEF
Die Bezahlkarte diskriminiert und grenzt aus! Gestalten wir sie zumindest so, dass wir uns weiterhin auf humanitärem Parkett bewegen! Am 12.04.2024 schuf der Bundestag den gesetzlichen Rahmen dafür, dass finanzielle soziale Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf Landes -und kommunaler Ebene künftig auch in Form der so genannten Bezahlkarteausbezahlt werden können.
Wir sprechen uns entschieden gegen die Bezahlkarte aus, weil sie geflüchtete Menschen stigmatisiert und diskriminiert, sie in ihrer Lebensführung bevormundet, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert und die Arbeit der in der Integrationsarbeit tätigen Menschen erschwert. Die Einführung der Bezahlkarte ist in unseren Augen ein kontraproduktives (wenn nicht sogar gefährliches) politisches Zeichen an die Gesellschaft, denn sie weist nicht in Richtung Integration, sondern in Richtung Ausgrenzung.
Der Bund hat den Ländern und Kommunen freigestellt, ob bzw. in welcher Form sie die Bezahlkarte einführen. Da sich das Land Baden-Württemberg für die Einführung der Bezahlkarte entschieden hat, müssen wir leider damit rechnen, dass diese auch in Mannheim eingeführt wird. Sollte dies der Fall sein, bitten wir die Verantwortlichen dringend, die Bezahlkarte so zu gestalten, dass die absehbar negativen Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden. Folgende Aspekte sind unserer Ansicht nach zu berücksichtigen:
Die Bezahlkarte muss
… ohne Einschränkungen nutzbar sein:
Barabhebungen sind ohne monatliche Obergrenze – bis zur vollen Höhe der monatlichen Leistungsbezüge – möglich, (siehe Modellprojekte in Städten wie Konstanz u. Hannover).
Barabhebungen sind ohne Gebühren möglich. Bargeld spielt im Leben von Menschen in prekären Lebensverhältnissen eine besonders große Rolle. Deshalb darf die Bargeldversorgung gerade bei ihnen nicht künstlich verteuert werden.
den bargeldlosen Zahlungsverkehr mit Dritten ermöglichen:
Um z.B. das Deutschlandticket nutzen zu können, müssen monatliche Abbuchungen möglich sein. Geflohene Menschen sollten zudem z.B. ihre Anwaltskosten durch Überweisungen begleichen können – ohne die anwaltliche Beratung und Vertretung gegenüber der Verwaltung offenlegen zu müssen.
Im bargeldlosen Zahlungsverkehr ist die Privatsphäre der Kartennutzer:innen und das Recht auf Vertraulichkeit zu wahren. Überweisungen oder Lastschriften mit der Karte sollten daher durch die Nutzer:innen selbst, ohne Umweg über die Behörde, vorgenommen werden können.
Einkaufen mit der Karte sollte ohne räumliche Beschränkungen (z.B. auf bestimmte Postleitzahlengebiete) sowie
ohne Begrenzung auf bestimmte Branchen (bzw. ohne Ausschluss bestimmter Branchen) möglich sein
auf einen möglichst kleinen Personenkreis begrenzt sein:
Die Bezahlkarte sollte nur für geflüchtete Menschen Verwendung finden, die ganz neu in Deutschland sind und deshalb noch kein eigenes Bankkonto eröffnen konnten. Nur für diese relativ kleine Zielgruppe in der Stadt stellt die Karte evtl. eine gewisse Erleichterung dar, weil dadurch der bisher notwendige monatliche Gang zum Amt entfällt, um sich die Leistungen dort persönlich in bar auszahlen zu lassen.
möglichst zeitlich begrenzt sein:
Sobald die Leistungsberechtigten über ein eigenes Basiskonto bei einer Bank verfügen, sollte die Auszahlung der monatlichen Leistungen umgehend von der Bezahlkarte auf das eigene Basiskonto umgestellt werden.
Die Stadt trägt mit dafür Sorge, dass der Rechtsanspruch auf ein reguläres Basiskonto weiterhin zum frühestmöglichen Zeitpunkt geltend gemacht werden kann.
Für die Kontoeröffnung dürfen seitens der Geldinstitute und der Leistungsbehörden keine neuen, höheren Hürden für Bezahlkarten-Inhaber:innen aufgebaut werden. Entsprechend sollte die Stadt auf die lokalen Geldinstitute einwirken.
diskriminierungsfrei im Alltag verwendet werden können:
Die Bezahlkarte sollte von außen nicht von einer regulären Bankkarte zu unterscheiden sein, um Diskriminierung und Stigmatisierung der Nutzer:innen zu vermeiden.
Mit der Einführung der Bezahlkarte steht die Stadt mit in der Verantwortung dafür, dass deren Inhaber:innen mit dieser Karte in allen Geschäften und an allen Stellen bezahlen können. Die Stadt Mannheim sollte auf den lokalen Einzelhandel einwirken, damit auch geringwertige Einkäufe mit der Bezahlkarte ohne zusätzliche Gebühren möglich sind.
von Anfang an störungsfrei funktionieren:
Bereits jetzt führen kurzfristige, unverschuldete Unterbrechungen des Leistungsbezugs oft zu existenziellen Notlagen der Betroffenen, da diese in der Regel keinerlei finanzielle Rücklage haben. Es sollte deshalb sichergestellt werden, dass die Bezahlkarte erst ausgegeben wird, nachdem in der Verwaltung die technischen und personellen Voraussetzungen für eine reibungslose Umsetzung in die Praxis geschaffen wurden.
so funktionieren, dass es zu keiner zusätzlichen Belastung von ehrenamtlichen und nicht-staatlichen Unterstützer:innen kommt:
Wir sehen bisher nicht, wie eine Bezahlkarte zu einem Bürokratieabbau in der Verwaltung und einer Entlastung der Mitarbeitenden führen kann, ohne dass dies nicht gleichzeitig deutlich mehr bürokratischen Aufwand für die Betroffenen und ihre Unterstützer:innen zur Folge hätte.
Vor der Einführung eines Bezahlkarten-Systems in Mannheim sollten deshalb der zeitliche/organisatorische Mehraufwand für alle Beteiligten und die ggf. dafür erforderlichen zusätzlichen Sach- und Personalkosten realistisch und transparent dargestellt und mit allen Beteiligten diskutiert werden.
Wir bitten Sie zudem, Ihre Einflussmöglichkeiten auf Landesregierung und -politik entsprechend zu nutzen, insbesondere im Hinblick auf künftige landesweite Vorgaben und Rahmenbedingungen für eine einheitlichere Gestaltung der Bezahlkarte in Baden-Württemberg.
Die Unterzeichner*innen:
Aktionsbündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim Asylcafé Mannheim Christlich-Islamische Gesellschaft Mannheim e.V. Eine-Welt-Forum Mannheim e.V. Evangelische Kirche Mannheim Gesamtelternbeirat der Stadt Mannheim Gesundheitstreffpunkt Mannheim e.V. Katholisches Stadtdekanat Mannheim KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar e.V. Lokale Agenda 21 Mannheim-Neckarau e.V. Mannheimer Institut für Integration und interreligiöse Arbeit e.V. Mannheim sagt Ja! e.V. MediNetz Rhein-Neckar e.V. Migrationsbeirat der Stadt Mannheim PLUS Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e.V. Save me Mannheim Seebrücke Mannheim Stadtjugendring Mannheim e.V.
#MenschenrechteFürAlle
"Places of Isolation" - Installationen:Wegweiser
Die Seebrücke stellt im Rahmen der bundesweit koordinierten Aktion "Places of Isolation" Kunstinstallationen im öffentlichen Raum in über 15 Städten auf. Mit orangenen Wegweisern werden Orte der europäischen Abschottung markiert und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen im Alltag sichtbar gemacht. Es geht dabei um Orte, die sowohl symbolisch als auch ganz konkret für die Abschottung Europas stehen. Markiert werden u.a. verschiedene Institutionen und Behörden, Flughäfen aber auch Lager und Grenzanlagen an den europäischen Außengrenzen.
Die Wegweiser werden dauerhaft an belebten Orten in über 15 deutschen Innenstädten aufgestellt und dienen gleichermaßen als humanitäre Orientierungshilfe als auch als Mahnmal gegen die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Europa. Dabei soll insbesondere sichtbar gemacht werden, wie alltäglich und nah etwa Abschiebungen stattfinden, wie tagtäflich Menschen in Abschiebegefängnissen oder Lagern mitten in Europa inhaftiert werden oder wie Schutzsuchende systematisch an einem sicheren Grenzübertritt gehindert werden.
Im Mannheimheimer Stadtbild sind aktuell vier Wegweiser sichtbar: an der Alten Feuerwache, am ALTER, im Haus der Katholischen Kirche und am peer23.
Erfahre hier mehr über die "Places of Isolation" (Orte der Abschottung):
Mittelmeer
Das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt. Jedes Jahr werden über 1.000 Menschen, die versucht haben, über das Mittelmeer zu fliehen, als vermisst oder verstorben gemeldet. 2022 waren es mehr als 1.940 Menschen - wobei die tatsächliche Zahl an Todesopfern deutlich darüber liegen dürfe. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Januar dieses Jahres so viele Menschen ertrunken wie seit sechs Jahren nicht mehr.
Es gibt so gut wie keine sicheren Fluchtwege in die EU. Deshalb sehen sich viele Menschen auf der Suche nach Sicherheit und Frieden gezwungen, die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer anzutreten, oft in seeuntüchtigen Booten. Obwohl es eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung in Seenot geratener Menschen gibt, existiert kein europäisches Seenotrettungsprogramm. Diese fehlenden Strukturen versuchen zivile Seenotrettungsorganisationen zu kompensieren, doch auch ihre Arbeit wird zunehmend erschwert. Ganz aktuell etwa vom FDP-geführten deutschen Verkehrsministerium, das eine neue Schiffssicherheitsverordnung plant, die die zivile Seenotrettung massiv einschränken wird. Auch wenn es gelingt, Flüchtende aus Seenot zu bergen, weigern sich Mittelmeer-Anrainerstaaten immer wieder, die Schiffe in Häfen einlaufen und Flüchtende an Land gehen zu lassen – trotz zum Teil dramatischer humanitärer Notsituation an Bord. So weist die ultrarechte Regierung Italiens den Seenotrettungs-NGOs systematisch Häfen im Norden Italiens zu, damit die Schiffe mehr Zeit benötigen, um wieder in die Search and Rescue (SAR)-Zone zu fahren und dort Menschen vor dem Ertrinken zu retten.
Immer wieder werden Menschen auf der Flucht auf dem Mittelmeer Opfer sogenannter Pushbacks. Es gibt zahlreiche Berichte dazu, wie Flüchtende, die es bereits in küstennahe Gewässer oder sogar an die Küste geschafft hatten, zurück aufs offene Meer gedrängt oder geschleppt werden, oft unter Einsatz brutaler Gewalt. Im zentralen Mittelmeer ist es zudem gängige Praxis, dass Boote an die „libysche Küstenwache“ gemeldet werden, die diese dann nach Libyen zurückbringt. Dies widerspricht Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention, der die Zurückweisung von Flüchtenden in Gebiete untersagt, in denen ihr Leben und ihre Freiheit bedroht ist.
Ende 1991 wurde in dem Mannheimer Stadtteil Schönau eine Sammelunterkunft für geflüchtete Menschen, zu meist kurdischer und jugoslawischer Herkunft eingerichtet. Von Beginn an war die Stimmung angespannt, die Anwohnenden lehnten die Einrichtung ab. Ende Mai kam es zu rassistischen Ausschreitungen gegen das Sammellager, in dem über 200 Menschen lebten. Ausgelöst durch ein falsches Gerücht zog Ende Mai mehrere Abende lang ein Mob von teilweise bis zu 150 Personen vor die Unterkunft. Am 28.05. eskalierte die Lage, immer mehr Menschen kamen dazu. Rund 400 Menschen bedrohten die Bewohnenden und warfen mit Steinen, Flaschen und Böllern. Auch wenn die Polizei schnell vor Ort war, mussten die Bewohnenden weiterhin in Angst in der Unterkunft ausharren. Immer wieder kam es zu weiteren Bedrohungssituationen. Die lokale und überregionale Presse, sowie der damalige Bürgermeister verharmlosten die Situation. Antirassistische Gegenproteste, die sich nach dem 28.05. formierten, wurden kriminalisiert. So wurde eine große am 06.06. geplante Demonstration verboten und von der Polizei brutal zerschlagen. Bis heute erinnert vor Ort nichts an die rassistischen Vorfälle. Die alte Kaserne ist mittlerweile abgerissen.
Der Evros ist der Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland, der somit zugleich eine EU-Außengrenze markiert. Viele Flüchtende versuchen, den Fluss auf der Suche nach Sicherheit und mit dem Wunsch, in Europa einen Asylantrag zu stellen, zu überqueren. Die Region um den Grenzfluss ist Schauplatz brutaler und gewaltvoller Pushbacks (d.h. illegaler Zurückweisungen in die Türkei) durch griechische Sicherheitskräfte. Pushbacks sind völkerrechtswidrig, denn sie widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention: Kein asylsuchender Mensch darf einfach so in ein Land zurückgedrängt werden, in dem seine Sicherheit bedroht ist. Menschen werden dabei außerdem systematisch misshandelt, ausgeraubt, und inhaftiert. Immer wieder ertrinken Menschen, die gezwungen werden, den Fluss erneut in Richtung der türkischen Seite zu durchqueren. Die Gewalt am Grenzfluss Evros ist gut dokumentiert, bleibt jedoch in den meisten Fällen ohne Konsequenzen.
In der letzten Zeit wird vor Ort sukzessiv eine Grenzmauer eingerichtet. Auch wenn die EU es diesmal ablehnte, für Kosten der Abschottung aufzukommen, hält die griechische Regierung an dem Vorhaben fest. Erst im März verkündtete der Ministerpräsident Mitsotakis, dass der Zaun um weitere 35 Kilometer verlängert werden soll. Dies wird nicht dazu führen, dass weniger Flüchtende ankommen - sondern die Folge ist eine immer riskantere Flucht und mehr Tote.
Baden-württembergisches Innenministerium in Stuttgart
Das Innenministerium in Stuttgart selbst berichtet auf seiner Homepage davon, eigene Beamte zur Unterstützung von Frontext an die EU-Außengrenzen zu entsenden: "Zur Bewältigung der hohen Migrationsströme nach Europa bzw. nach Deutschland hat die Europäische Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) seine Einsätze an den Außengrenzen der EU erheblich intensiviert. Wesentliches Ziel der Bemühungen ist die gezielte Steuerung sowie gleichzeitige Abschwächung der Binnenmigration in Europa. Aktuell sind über 1.500 Polizeibeamtinnen und -beamte aus den EU-Mitgliedsstaaten an sogenannten „Hot-Spots“ bei der Identifizierung, Registrierung und Abnahme von Fingerabdrücken im Einsatz. Die Polizei Baden-Württemberg unterstützt die Europäische Grenz- und Küstenwache seit dem Beginn der Maßnahmen im Dezember 2015." Dass Frontex nicht nur mit nationalen Grenzschützer*innen, die nachweislich illegale Pushbacks durchführen, kooperiert, sondern ihnen von Aktivist*innen immer wieder auch eine Beteiligung an solchen Pushbacks vorgeworfen wird, ist im Abschnitt zur Balkanroute nachzulesen.
Aktuell gibt es wenig Aufmerksamkeit für die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze, doch weiterhin versuchen Menschen, die Grenze zu überqueren und werden dabei gewaltvoll zurückgedrängt. Im Jahr 2021 begann Polen, an der Grenze zu Belarus einen 2,5 m hohen Zaun zu errichten. Es wurde entschieden, eine „solide Barriere mit Überwachungssystem und Bewegungsmeldern“ zu errichten. Der Bau des Grenzzauns erfolgte von Januar bis Juni 2022.
Das Parlament Polens hat beschlossen, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Grenzschützer*innen können nach polnischem Recht selbst entscheiden, ob sie den Schutzsuchenden die Chance gewähren, einen Asylantrag zu stellen. Im Winter 2022/23 wurden Flüchtende Opfer von Pushbacks und brutaler Gewalt bei Eiseskälte. In den letzten 1,5 Jahren wurden nach Angaben der polnischen Grenzbeamt*innen mehr als 50.000 Pushbacks nach Belarus durchgeführt.
Immer wieder werden Menschen im Grenzstreifen vermisst oder tot aufgefunden. Fliehende Menschen werden mit brachialer Gewalt zurück in die Wälder gedrängt.
Im Grenzgebiet zwischen Litauen und Belarus kommt es ebenfalls zu brutalen Pushbacks, Flüchtende verloren Zehen und Beine, teilweise erfroren sie. Humanitäre Organisationen und Journalist*innen werden vom Betreten des Grenzgebiets abgehalten. Im Januar hat die litauische Regierung eine Regelung erlassen, welche Pushbacks als offizielle Vorgehensweise formalisiert. Das verstößt eindeutig gegen internationales Recht, da Menschen auf der Flucht ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, verwehrt wird.
Am Frankfurter Flughafen, nur ca. 60 km Luftlinie von uns entfernt, werden regelmäßig Sammelabschiebungen von geflüchteten Menschen vollzogen. Im März 2023 wurde etwa ein Abschiebeflug nach Pakistan organisiert. Und obwohl seit Dezember 2022 aufgrund der dramatischen menschenrechtlichen Lage im Land ein Abschiebestopp in den Iran vereinbart wurde, wurden im letzten Monat zwei iranische Personen am Frankfurter Flughafen aus Deutschland ausgewiesen. Immer wieder werden die Asyl-Schnellverfahren an Flughäfen (sogenannte "Flughafenverfahren") kritisiert, etwa berichtet eine Studie im Auftrag von ProAsyl: "Juristisch gesehen reisen Asylsuchende, die mit dem Flugzeug ankommen, während des Flughafenverfahrens nicht nach Deutschland ein. Sie werden in einer Unterkunft am Flughafen festgehalten und abgeschottet. Innerhalb von nur 19 Tagen muss ihr Asylverfahren, inklusive Rechtsschutz, abgeschlossen werden. Hinter verschlossenen Türen werden so die allermeisten Schutzsuchenden unter hohem Zeitdruck abgelehnt." Berichte einer kirchlichen Verfahrensberaterin betonen, dass Betroffene unter haftähnlichen Bedingungen am Flughafen ausharren müssen und enormem psychischen Druck ausgesetzt sind - was ihnen wiederum die Anhörung für ihr Asylverfahren erschwert.
Die „Balkanroute“ beschreibt die Fluchtroute von der Türkei nach Westeuropa. Sie wird seit Jahrhunderten für Handel- und Warentransfer, als Reiseroute und auch von Menschen auf der Flucht genutzt. Die „Balkanroute” als „Fluchtkorridor” existierte bereits vor den Migrationsbewegungen 2015 und der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit. EU-Politik und die Etablierung strenger Grenzregime führen dazu, dass sich die Route dynamisch verschiebt, da Menschen gezwungen sind, andere Wege nach (West-)Europa zu wählen. Entlang der sogenannten „Balkanroute“ sind Gewalt, Schüsse und Pushbacks inzwischen traurige Normalität. Menschen leben unter elenden Bedingungen in Lagern, auf der Straße oder in improvisierten selbstorganisierten Camps und werden Opfer von brutaler Polizeigewalt an den Grenzen. Solidaritätsbewegungen aus der Bevölkerung werden systematisch unterbunden und die deutsche Regierung bleibt tatenlos unter dem Vorwand, auf eine „europäische Lösung“ zu warten. Stattdessen werden Transitländer mit der Versorgung der ankommenden Flüchtenden allein gelassen, sie werden zudem als Torhüter der EU im Ausführen von Pushbacks bestärkt.
Vor allem in den Hauptstädten oder in der Nähe wichtiger Grenzübergänge bilden sich Camps und „Hotspots“ (informelle Camps), wo es den Geflüchteten am Nötigsten fehlt, und sie zudem der Polizei und Rechtsradikalen schutzlos ausgeliefert sind. Die Behörden versuchen dies durch die Errichtung offizieller Camps zu verhindern, z.B. in Zusammenarbeit mit großen internationalen NGOs wie dem Roten Kreuz oder IOM. Auch hier sind Gewalt und Korruption präsent, zudem sind die Camps kilometerweit von Stadtzentren entfernt und verfügen über Ausgangsbeschränkungen. Unautorisierte Grenzüberquerungen („Games“) sind die einzige Möglichkeit für Flüchtende, in die EU zu kommen, und diese sind (vor allem im Winter) lebensgefährlich. An fast jeder Grenze werden Pushbacks von Organisationen wie dem Border Violence Monitoring Network (BVMN) dokumentiert. Nicht nur schweigt die EU hierüber, sie unterstützt Pushbacks sogar indirekt, indem sie Frontex-Polizist*innen entsendet und nationalen Grenzschutz finanziell unterstützt. Frontex ist in Griechenland, Kroatien und Ungarn aktiv, wo sich Vorwürfe häufen, denenzufolge Frontex-Beamt*innen selbst an Pushbacks beteiligt sein sollen. Zudem kooperiert Frontex mit nationalen Polizeibehörden, deren Verstrickung in illegale Abschiebungen belegt ist (z.B. in Ungarn, Griechenland, Kroatien, u.a.). Dennoch genießen Frontex-Beamt*innen in ihren Funktionen weitreichende Immunität, die auch vom Europäischen Gericht für Menschenrechte nicht eingeschränkt werden kann.
Weitere Informationen finden sich bei der Balkanbrücke (https://balkanbruecke.org/), einem Zusammenschluss aus Aktivist*innen, die auf die Situation von Flüchtenden entlang der sogenannten „Balkanroute“ aufmerksam machen.
Seit 2016 existiert die "Abschiebehafteinrichtung" in Pforzheim, um die geplante Abschiebung von Personen sicherzustellen, denen "Fluchtgefahr" unterstellt wird. Der Begriff "Fluchtgefahr" bietet den zuständigen Behörden dabei viel Interpretationsspielraum. Das Konzept derartiger Abschiebegefängnisse wird immer wieder kritisiert: Menschen, die keine Straftaten begangen haben, werden isoliert und kriminalisiert; meist stehen ihnen keine Anwält*innen zur Verfügung und sie müssen in oft wochenlang in einer psychischen Ausnahmesituation ausharren. Aus Angst vor ihrer Rückführung in Kriegs- und Krisengebiete greifen manche inhaftierte Personen zu drastischen Mitteln wie Hungerstreiks bis hin zu Suizidversuchen. Sogar die Inhaftierung von Kindern in Abschiebehafteinrichtungen oder die bewusste Trennung von Familienmitgliedern durch Abschiebehaft sei schon vorgekommen. In der Einrichtung in Pforzheim beklagen Seelsorger*innen seit Längerem, dass ihnen der Zugang zu inhaftierten Personen eingeschränkt wird, die dringend auf psychologisch / seelsorgerische Versorgung angewiesen sind.
Es ist eine wesentliche Strategie der europäischen Abschottungspolitik, Flüchtende möglichst nah an den Außengrenzen festzuhalten. Ein politischer Aspekt, der das begünstigt, ist das sogenannte Dublin-Abkommen. Es besagt, dass jener Staat, in dem Geflüchtete erstmals registriert werden, für deren weiteres Asylverfahren zuständig ist. In der Konsequenz bedeutet das, dass Grenzstaaten wie Griechenland für überproportional viele Geflüchtete zuständig sind. Viele von ihnen werden in menschenunwürdigen Camps auf den ägäischen Inseln festgehalten. Durch die Verschleppung von Verfahren und lange Verfahrensdauern sitzen Menschen teilweise über Jahre auf den griechischen Inseln fest. Die Lager sind darüber hinaus vielfach auf wesentlich geringere Zahlen von Menschen und auf kurze Aufenthalte ausgelegt.
Ein besonders extremes Beispiel stellt das Lager Moria auf Lesbos dar. Es war für ca. 3.000 Menschen konzipiert, zeitweise lebten dort aber bis zu 16.000 Menschen unter katastrophalen Zuständen. Nachdem Moria 2020 bei einem Großbrand zerstört wurde, versprach die EU „No More Morias“. Tatsächlich aber bestehen die Lagerstrukturen auf den ägäischen Inseln fort, etwa in Kara Tepe. Die Lebensumstände dort sind charakterisiert durch unzureichende Nahrungsversorgung, sehr schlechte medizinische Versorgung und katastrophale hygienische Zustände. Eine besorgniserregende Entwicklung ist auch, dass es sich bei neu gebauten Camp-Strukturen (etwa auf der Insel Samos) um Hochsicherheitslager mit gefängnisartigen Strukturen handelt.
Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern sind gewollt und ein bewusstes Element der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik. Es handelt sich nicht um eine „humanitäre Katastrophe“, sondern um die Folgen gewollter politischer Entscheidungen. Inzwischen gibt es sogar Gerichtsurteile, die bestätigen, dass die Bedingungen in den Lagern gegen Menschenrechte verstoßen.
Seit 2018 wird die Rettungszone vor der libyschen Küste nicht mehr von Italien, sondern von Libyen selbst verwaltet. Dafür unterstützt die EU die sogenannte libysche Küstenwache finanziell und informationell. Etwa versorgt sie die "Küstenwache" mit Ausrüstung, bildet ihre Kräfte aus oder liefert ihr (über die EU-Grenzschutzagentur Frontex) Geoinformation, um Boote auf dem Mittelmeer zu orten - wohlwissend, dass die libysche Küstenwache Flüchtende mit brutalen Mitteln auf dem Mittelmeer abfängt und illegale Pushbacks ausführt, d.h. die Menschen zurück nach Libyen schiebt. In Libyen selbst sind Flüchtende schlimmsten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, von willkürlichen Inhaftierungen bis hin zu Folter und Menschenhandel. Vorwürfen von NGOs zufolge sei die "libysche Küstenwache" selbst in Menschenhandel verwickelt. Die massive Gewalt gegen Flüchtende an Land und vor der libyschen Küste ist seit Jahren bekannt. Trotzdem kooperiert die EU mit dem Land, um Flucht nach Europa zu unterbinden. Mit Libyen als sogenanntem "Türsteher der EU" umgeht die EU, rechtliche Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen zu übernehmen, die sie mitfinanziert.
Wahlprüfsteine für die Kommunalwahl am 9. Juni 2024:Wahlpruefsteine
Frage 1: Mannheim hat sich 2019 per Gemeinderatsbeschluss zum „Sicheren Hafen“ bekannt. 2021 trat die Stadt dem bundesweiten Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ bei und 2021 der „Internationalen Allianz Städte Sicherer Häfen“. Welche Verpflichtungen sollten mit diesen Bekenntnissen einhergehen?
SPD
Gewährleistung der anteiligen Aufnahme von Geflüchteten, menschenwürdige Unterbringung und mehr- bzw. muttersprachliche Umsetzung aller Maßnahmen der Erstintegration (Asylantrag, medizinische Versorgung, Informierung über relevante Behörden und Begleitung bei Behördengängen).
FDP
Das Thema Flucht können wir nicht kommunal lösen. Die Allianz muss ihr Gewicht nutzen, um eine faire Verteilung und Versorgung der Gestrandeten auf europäischer Ebene zu erwirken.
CDU
Die CDU-Gemeinderatsfraktion hat die Beschlussvorlage 2019 nicht mitgetragen. Dabei bekennt sich die CDU-Fraktion ganz klar zum Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte und zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention. Verfolgten zu helfen und ihnen Schutz zu gewähren ist für uns eine Frage der humanitären Verantwortung, der Mitmenschlichkeit und der Nächstenliebe. Mannheim und seine Bürgerinnen und Bürger erfüllen seit vielen Jahren eine unglaubliche Integrationsleistung. Die Stadt hat richtigerweise, im Gegensatz zu einigen anderen Städten, alle zugewiesenen Asylsuchenden und Flüchtlinge aufgenommen. Aufgrund der steigenden Zahlen ist es jedoch immer schwerer, zusätzliche, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten zu akquirieren. Über die Verpflichtung hinaus können keine weiteren Zusagen gemacht werden.
Linke & Tierschutzpartei
Unserer Auffassung nach sollte die Stadt Mannheim sich als Folge dieser Beitritte national und international für offene Grenzen und die verstärkte Aufnahme von Geflüchteten einsetzen. Mannheim ist und war in ihrer Geschichte immer eine Stadt der Migration und Integration, kann also auf langjährige Erfahrungen in diesen Bereichen zurückblicken. Hier ankommende Menschen finden Netzwerke und Communities vor, mit deren Unterstützung sie hier schneller Fuß fassen können als andernorts, wo es keine vergleichbaren Netzwerke gibt. Mannheims Erfolg lebt von der Vielfältigkeit unserer Stadtgesellschaft. Deshalb und auch weil sie als zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs größere Einflussmöglichkeiten hat, ist sie sich selbst eine klare politische Positionierung für eine offene Gesellschaft schuldig. Die Stadt Mannheim soll sich gegenüber Land und Bund oder auch innerhalb des Deutschen Städtetags dafür stark machen, dass „Sichere Häfen“ mehr Geflüchtete aufnehmen können als ihnen zugewiesen werden.
Grüne
Damit hat sich die Stadt Mannheim als humanitäre Wertegemeinschaft mit hoher Kompetenz für die Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen verpflichtet und müsste gegenüber dem Bund und dem Land ihr Angebot zur Unterstützung und zur zusätzlichen Aufnahme bekräftigen.
Frage 2: Rund 110 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, Tendenz steigend. Wie und mit welchem Narrativ werden Sie die Stadt und die Zivilgesellschaft darauf vorbereiten, dass aufgrund von Kriegen, Klimawandel und anderer globaler Krisen immer mehr Menschen bei uns Schutz suchen werden?
SPD
Die Zahlen sprechen für sich. Es ist im Interesse aller, dass Geflüchteten Schutz und Integration gewährt werden. Das gebieten unsere Werte (Würde des Menschen, Art. 16a,1 Grundgesetz) und unser Wohlstand (Stichwort: eine Welt). Gegenteiliges Handeln birgt außerdem die Gefahr zunehmender Gewalt. Zudem kann zumindest zu einem gewissen Teil der Mangel an Arbeitskräften behoben werden.
FDP
Die Mannheimerinnen und Mannheimer haben bisher sehr große Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme und Unterstützung von Flüchtenden bewiesen. Besonders das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe ist nach wie vor enorm. Damit dies so bleibt, müssen die Ehrenamtlichen unterstützt werden. Zudem ist es wichtig, die Unterbringung in Sport- und Kulturhallen zu vermeiden.
CDU
Es ist die Aufgabe der EU und aller Länder in Europa eine faire Verteilung der Schutzsuchenden so durchzuführen, dass es zu keiner Überforderung bestimmter Länder und Städte in Europa kommt. Auch muss es der EU gelingen zwischen Schutzbedürftigen und Nicht-Schutzbedürftigen zu unterscheiden. Das europäische Asylrecht ist in der aktuellen Praxis inhuman: Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, kann sich nicht auf den gefährlichen Weg nach Europa machen. Deshalb ist es wichtig, die unkontrollierte Migration zu begrenzen damit die Integrationsfähigkeit der Städte nicht überfordert wird und wir zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht werden können. Eine faire Asylbeantragung für Europa soll in sicheren Drittstaaten erfolgen.
Es ist vor allem wichtig die Fluchtursachen zu bekämpfen. Wir müssen zur Linderung der Not gerade in den ärmsten Ländern der Welt beitragen. Diese ethische Verpflichtung entspringt unserer christlichen Überzeugung von der gleichen Würde aller Menschen. Wir finden uns nicht damit ab, dass weltweit jeder zehnte Mensch unter Hunger und bitterer Armut leidet. Wir setzen auf Hilfe zur Selbsthilfe, die sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausrichtet. Erfolgreiche Entwicklungspartnerschaften verringern die Fluchtursachen.
Linke & Tierschutzpartei
Für uns gilt prinzipiell „Kein Mensch ist illegal“. Flucht ist in erster Linie eine Frage der Einhaltung der Menschenrechte. Wir sehen, dass die westlichen Industriegesellschaften mitverantwortlich sind für Fluchtursachen wie den menschengemachten Klimawandel und dafür müssen wir auch Verantwortung übernehmen.
So tragisch es ist, dass Menschen sich auf die Flucht begeben müssen, ist es für uns als Gesellschaft aber auch eine Chance. Wie bereits erwähnt, lebt Mannheim von seiner Vielfalt und sollte deshalb für Geflüchtete gerechte Chancen bieten sich hier ein neues Leben aufzubauen, ob kulturell oder beruflich. Investitionen in gute Maßnahmen zur Integration sind keine Almosen, sondern notwendig, sodass Menschen hier würdig ankommen können und als Teil unserer Stadtgesellschaft diese gemeinsam mit allen anderen Mannheimer*innen weiter voranbringen können.
Klar ist auch, dass nicht „alle“ nach Deutschland fliehen, was von Rechten immer wieder propagiert wird. Die meisten Geflüchteten bleiben in ihren Heimatländern oder fliehen in unmittelbare Nachbarländer. Diese zumeist ökonomisch deutlich schwächeren Staaten haben viel größere Herausforderungen zu bewältigen als Deutschland bzw. die EU. Doch wenn Deutschland, die EU und andere Industriestaaten weiterhin zu wenig gegen den Klimawandel unternehmen, werden weitere Teile der Erde immer unwirtlicher für die Menschen.
Grüne
Mannheim ist sein seiner Gründung 1607 eine Stadt der Zuwanderung. Davon hat die Stadt immer wieder profitiert. Die daraus entstandene Vielfalt in Kultur und Wirtschaft macht die Stadt aus. Diese Aspekte müssen stärker kommuniziert werden und den zugewanderten Menschen die Chance zu geben sich einzubringen. Dafür zusammenzurücken lohnt sich und macht uns menschlicher. Wir Mannheimer*innen müssen auf breiter Ebene Verantwortung übernehmen. Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft müssen deutlich klar machen, dass auch Mannheim Zuwanderung benötigt und deswegen muss die ganze Thematik deutlich positiver besetzt und entsprechend vorantrieben werden.
Frage 3: Wie werden Sie eine menschenwürdige Unterbringung von geflüchteten Menschen gewährleisten? Werden Sie sich für eine unabhängige, regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Mindeststandards einsetzen?
SPD
Die Bemühungen um eine menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten in Mannheim seitens der Verwaltung sind groß. Dennoch reichen sie nicht aus und müssen intensiviert werden. Freiwerdende Immobilien müssen z.B. frühzeitig gefunden und reserviert werden. Es muss außerdem ein Kontrollsystem geben, um die Standards regelmäßig zu überprüfen. Die Einrichtung muss ggf. unverzüglich aufgegeben und ersetzt werden.
FDP
Wir haben den Ankauf und die Anmietung von geeigneten Immobilien konsequent unterstützt und begrüßen den Einstieg in modulare Bauweisen und flexibel einsetzbare mobile Unterbringungsmöglichkeiten auf einem Standard weit über den Sammelunterkünften und Zeltstädten anderer Gemeinden. Klar muss die Einhaltung von Mindeststandards überprüft werden.
CDU
Aus unserer humanitären Verantwortung, der Mitmenschlichkeit und der Nächstenliebe heraus ist uns eine menschenwürdige Unterbringung der Asylsuchenden und Flüchtlingen wichtig. Nach Möglichkeit verhindern wollen wir Bedingungen, wie sie vor der Schließung in der LEA in der Industriestraße herrschten, auch wenn dort die gesetzlichen Mindeststandards wohl eingehalten wurden. Es ist gut, dass wir noch immer Häuser auf den Konversionsflächen auf Franklin und Spinelli für die Flüchtlingsunterbringung nutzen können. Aufgrund der weiterhin steigenden Zahl ist es jedoch immer schwerer, zusätzliche, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten zu akquirieren. Wir haben deshalb die Einrichtung einer temporären Verwaltungseinheit zur Akquirierung geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten insbesondere für vulnerabler Gruppen unterstützt.
Linke & Tierschutzpartei
Die beschlossenen und definierten Mannheimer Standards zur Unterbringung von Geflüchteten sind eine gute Grundlage zur menschenwürdigen Unterbringung von Geflüchteten. Leider müssen diese in den letzten Jahren immer wieder unterschritten werden, um genug Unterbringungen für Geflüchtete zu finden. Händeringend werden alle möglichen Optionen untersucht und oftmals müssen Kompromisse eingegangen werden, um unhaltbare Zustände wie die Unterbringung in Turnhallen zu vermeiden.
Wir begrüßen das Vorhaben der Stadt zum Bau von neuen Unterkünften in modularer Bauweise nach dem Vorbild der sog. „Hoffnungshäuser“ als gute Gelegenheit menschenwürdige Wohnverhältnisse zu schaffen. Die Stadt Mannheim muss sich gezielt auch gegen die vorgegebenen Mindeststandards des Landes Baden-Württemberg aussprechen, die zu niedrig sind und einer menschenwürdigen Unterbringung im Weg stehen können. Entgegen der Forderung der ML, die Standards generell auf die Mindeststandards des Landes zu senken, fordern wir die Mannheimer Standards möglichst einzuhalten. Dies muss auch kontrolliert werden. Auf Verlangen mehrerer Gemeinderatsfraktionen legt die Verwaltung dem Gemeinderat inzwischen vorab dar, wie die Grundrisse der neu anzumietenden bzw. anzukaufenden Unterkünfte sind und wie viele Menschen dort untergebracht werden sollen.
Wichtig ist auch auf vulnerable Gruppen einzugehen, die besondere Bedürfnisse bei der Unterbringung haben. Beispielsweise queere Geflüchtete können in Sammelunterkünften unter höchst bedrohlichen Verhältnissen leben. Um diese Vulnerabilität zu erkennen, sollte das städtische Personal gezielt geschult werden.
Grüne
Im Gegensatz zu anderen Kommunen bekennt sich Mannheim gegen Hallenunterbringungen. Derzeit entsteht eine komplett neue Verwaltungsabteilung, die sich um die menschenwürdige Unterbringung kümmert. Diese muss unterstützt, ausreichend ausgestattet und gleichzeitig kritisch begleitet werden.
Wichtige lokale Akteur*innen sind dabei einzubeziehen. Wenn das Gebäudemanagement von einem anderen Träger durchgeführt wird als die Beratung und soziales Engagement als dritter Baustein, hat man eine ständige unabhängige und regelmäßige Begleitung mit dem Blick auf dringend notwendige Standards.
Frage 4: Was sollte ein Gewaltschutz-Konzept für besonders vulnerable Menschen in den Erst- und Anschlussunterkünften beinhalten? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass bei der Konzepterstellung lokale Akteur*innen einbezogen werden?
SPD
Gewaltschutz bedeutet vor allem Separierung von Frauen und Kindern und geschützte Unterbringung in eigenen Einrichtungen. Die Einbeziehung lokaler Akteur*innen (z.B. Frauenhaus, kirchliche Einrichtungen etc.) ist unabdingbar.
FDP
Vulnerable Gruppen brauchen Schutz in gesonderten Unterbringungen. Die Einbeziehung lokaler Akteur*innen sollte selbstverständlich sein.
CDU
Die Stadtverwaltung ist bei der Unterbringung und wohnlichen Versorgung allen Standards zu Gewaltschutz und Schutz vor Diskriminierung verpflichtet. Für besonders gefährdete Menschen (z.B. Queere) sorgt die Stadtverwaltung, wenn möglich, für eine separate Unterbringung. Dies geschieht laut Stadtverwaltung sowohl durch eine Unterbringung in Einzelzimmern in den Gemeinschaftsunterkünften als auch in Wohnungen im Stadtgebiet. Auch für weitere besonders schutzbedürftigen Gruppen unter den Flüchtlingen (Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen, Minderjährige, Alleinerziehende, Familien, Schwangere) gibt es grundsätzlich auf die Bedarfe der jeweiligen Personen ausgerichtete Schutzkonzepte. Diese Maßnahmen werden von der CDU-Gemeinderatsfraktion unterstützt.
Linke & Tierschutzpartei
Wichtig wäre bei einem solchen Konzept auf die verschiedenen Bedürfnisse der vulnerablen Gruppen einzugehen. So haben Mütter mit Kindern andere Sorgen und Konflikte wie beispielsweise queere Geflüchtete oder Verfolgte einer bestimmten Ethnie.
Dazu wäre es sehr wichtig die lokalen Akteur*innen miteinzubeziehen, um diese Bedürfnisse auch erfassen zu können und eventuelle Konflikte als Beispiele heranziehen zu können.
Generell ist es aber wichtig sich zu fragen, welche Gruppierungen gemeinsam in Sammelunterkünfte gebracht werden können und welche eben nicht. Beispielsweise Konflikte zwischen muslimischen und christlichen Minderheiten sind für uns auf den ersten Blick vielleicht nicht erkenntlich, aber hoch relevant für deren Zusammenleben auf engstem Raum.
Ein Bestandteil des Konzepts sollten Sozialarbeiter*innen und Sicherheitsfachkräfte vor Ort sein, die speziell auf sensiblen Umgang mit Minderheiten geschult sein sollten.
Grüne
Wir fordern, dass lokale, professionalisierte Institutionen in ein Gewaltschutzkonzept mit eingebunden sind. Ein solches Konzept muss von den verschiedenen qualifizierten Einrichtungen gemeinsam über die Verwaltung hinaus erstellt werden.
Frage 5: Wie sollte ein nachhaltiges, effizientes, schnell greifendes Integrationskonzept gestaltet sein, das die Interessen von geflüchteten Menschen und vulnerablen Gruppen berücksichtigt?
SPD
S. Antwort auf Frage 1 und Frage 4.
FDP
Unterstützungsangebote vom ersten Tag an sind wesentlich, sowohl bei den Behördengängen als auch bei allen sozialen Fragen und beim Spracherwerb. Die schnellste Integration gelingt durch Integration in den Arbeitsmarkt.
CDU
Die Stadt Mannheim hat ein gutes Integrationskonzept für Asylsuchende und Flüchtlinge, bei dem auch freie Träger eingebunden sind, welches die CDU-Gemeinderatsfraktion unterstützt. Aufgrund der steigenden Zahl der zugewiesenen Schutzsuchenden wird es jedoch immer schwerer, Betreuungskapazitäten, Lehrkräfte, Schulplätze, sozialer Betreuung und behördlichen Kapazitäten in ausreichender Zahl zu akquirieren. Das liegt nicht am fehlenden Geld, sondern daran, dass es einen grundsätzlichen Personalmangel in den einschlägigen Berufen gibt.
Linke & Tierschutzpartei
Ein Integrationskonzept sollte eine Art Fahrplan zum Ankommen in Mannheim beinhalten. Wünschenswert wäre es, wenn dort eine Struktur aufgezeigt ist, die klar macht, wann welches Angebot zur Integration in Mannheim genutzt werden soll. So sollte auch den verschiedenen beteiligten Organisationen klar sein, wer welche Rolle übernimmt und wo welche Ansprechpartner*innen zu finden sind. Natürlich hat nicht jede geflüchtete Person denselben Weg zum Ziel, es braucht dann unterschiedliche Wege je nach Bedürfnissen und auch Bleibebedingungen. Natürlich haben vulnerable Gruppen wie Mütter nochmals gesonderte Bedürfnisse, auf die Rücksicht genommen werden muss.
Wir würden uns davon aber erhoffen, dass das Zusammenspiel der beteiligten Organisationen im Themenfeld Migration und Integration mit einem Integrationskonzept verbessert wird und dann auch in Zukunft effizienter auf einen plötzlichen Anstieg der ankommenden Geflüchteten reagiert werden kann.
Grüne
Ein Integrationskonzept beginnt beim Ankommen von geflüchteten Menschen. In Mannheim sind das bis zu 100 Personen monatlich. Dafür muss der Welcome-Point wieder eingerichtet werden, um den ankommenden Personen eine erste Orientierung geben zu können. Das heißt, von Beginn an müssen geflüchtete Menschen nicht nur ein Dach über dem Kopf haben, je nach Anerkennungsstatus die Sprache erlernen können und die Unterstützung bei der Arbeitssuche beim Jobcenter enden. Ein gutes Integrationskonzept verpflichtet sich darüber hinaus den Neu-Mannheimer*innen den Einstieg in die Stadtgesellschaft zu erleichtern. Im Mannheimer Integrationskonzept müssen ebenfalls Themen wie interkulturelle Verständigung, Wohnen, Bildung, Soziales oder Freizeit verankert sein.
Außerdem muss es vernünftig digitalisiert sein. Bei der glücklicherweise unbekannten Integreat App geben wir als Stadt mit rund 170 ansässigen Nationen leider noch kein gutes Bild ab.
Frage 6: Wie ist Ihre Haltung zur Bezahlkarte? Befürworten Sie die Einführung? Wenn ja, warum? Wie sollte aus Ihrer Sicht die Bezahlkarte konkret ausgestaltet sein, bzw. welche Einsatzmöglichkeiten einer Bezahlkarte favorisieren Sie?
SPD
Die Bezahlkarte hat positive und negative Seiten. Zu den negativen zählt vor allem, dass die Geflüchteten sich in gewisser Hinsicht entmündigt vorkommen könnten. Deshalb sollte die Bezahlkarte nicht das ausschließliche Zahlungsmittel sein. Die Geflüchteten sollten über einen gewissen Geldbetrag in bar verfügen können.
FDP
Wir befürworten die Bezahlkarte, um zu verhindern, dass Geld, das für die Versorgung und Integration hier gedacht ist, ins Ausland transferiert wird. Allerdings muss ein Teil der Mittel bar ausbezahlt werden, um Kleinsteinkäufe überall machen zu können.
CDU
Wie der Deutsche Städtetag es fordert, halten wir es für richtig, die bisherige Praxis der Bargeldauszahlung im System des Asylbewerberleistungsgesetzes aufzuheben und eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte in allen Kommunen verpflichtend einzuführen. Diese Verpflichtung fehlt aktuell im vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetz. Dadurch könnte ein Flickenteppich mit unterschiedlichen Regeln entstehen, gerade in der Metropolregion Rhein-Neckar mit drei Bundesländern. Durch die Bezahlkarte soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen.
Wir versprechen uns durch eine Bezahlkarte statt des Aushändigens von Bargeld auch weniger Verwaltungsaufwand. Dies kommt letztlich auch den Schutzsuchenden zugute, wenn dadurch Verwaltungsvorgänge schneller ablaufen und Kapazitäten frei werden.
Linke & Tierschutzpartei
Wir sind gegen die Bezahlkarte für Geflüchtete.
Mit einer Bezahlkarte würden wir Gefahr laufen Geflüchtete von bestimmten Leistungen des Alltags auszuschließen und würden damit nicht nur die Integration, sondern auch das selbstbestimmte Leben der Menschen erschweren oder gar verhindern. Beispielsweise Anwält*innen könnten die Bezahlkarte ablehnen und damit wäre Geflüchteten der Zugang zur Ausübung ihrer Rechte verwehrt. Dies wäre nur eins von vielen Beispielen, bei denen unklar ist, ob die Bezahlkarte angenommen werden würde.
Die Diskussion um die Bezahlkarte basiert auf der unseres Erachtens haltlosen Befürchtung mit sogenannten „Pull-Faktoren“ Geflüchtete nach Deutschland zu locken. Die entsprechenden Untersuchungen zeigen, dass Sozialleistungen keine „Pull-Faktoren“ sind, weshalb die Bezahlkarte erst Recht keinen Sinn macht. Darüber hinaus können wir nur auf die zweite Frage verweisen: Wir verteilen hier keine Almosen, sondern müssen mit den Sozialleistungen ein menschenwürdiges Ankommen in Mannheim gewährleisten. Unsere Stadt und unsere Gesellschaft braucht Migration und wird mit Einschränkungen der Menschenrechte niemandem weiterhelfen.
Grüne
Wir lehnen die Bezahlkarte im Grundsatz ab! Wenn die Bezahlkarte in Mannheim eingeführt werden sollte, dann darf sie keinerlei Beschränkungen haben. Die Erzählung, dass massenhaft Geld in andere Länder transferiert wird, um noch mehr Menschen die Flucht nach Deutschland zu ermöglichen ist ein Märchen.
Beschränkungen führen neben mehr Bürokratie für nicht vorhandenes Verwaltungspersonal zu Problemen bei kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe, wenn beispielsweise Einzelhändler ausgenommen sind. Stigmatisieren Kinder und Jugendliche in den Schulen, wenn Kleinstbeträge nicht bar gezahlt werden können. Beschneiden Menschen in ihrer Mobilität, wenn sich die Bezahlkarte nur auf eine Region bezieht.