- Lokalgruppen
- >Deutschland
- >Thüringen
Lokalgruppe:Erfurt

Erfurt soll Sicherer Hafen sein. Foto: Maria Klenner
Erfurt soll Sicherer Hafen sein. Foto: Maria Klenner
Treffen
Wir wollen sichere Fluchtwege und Sichere Häfen. Wir wollen ein offenes und solidarisches Erfurt – und ebensolch eine Gesellschaft! Das erledigt sich nicht von selbst. Jeden Dienstag um 19:15 Uhr trifft sich die Seebrücke Erfurt Crew zum Plenum - momentan online. Im Plenum tauschen wir uns aus und planen Aktionen. Bei Interesse und Lust auf Mitmachen kontaktiere uns über seebruecke_erfurt@riseup.net oder auf Instagram oder Twitter.
Wegweiser
Wegweiser mit "Orten der Abschottung" vor einem Café in Erfurt
Wegweiser mit "Orten der Abschottung" vor einem Café in Erfurt
Im Rahmen einer bundesweiten "Places of Isolation" Aktion der Seebrücke haben wir in der Woche vom 17. bis 24. April 2023 an verschiedenen belebten Orten in Erfurt Wegweiser aufgestellt. Die Pfeile der Wegweiser zeigen die Entfernungen zu Orten, an denen sich die Abschottungspolitik Europas in unserer unmittelbaren Nähe niederschlägt - zum Beispiel auf die Erfurter Ausländerbehörde oder das Erstaufnahmelager in Suhl. Einige Pfeile zeigen auch auf weiter entfernte Orte an den EU-Außengrenzen, die bekannte Symbole für die Abschottung Europas sind, so wie das Mittelmeer, die tödlichste "Grenze" der Welt.
Über Flyer und einen angebrachten QR-Code am Wegweiser können sich Interessierte auf unserer Website zu jedem "Ort der Abschottung", auf den ein Pfeil zeigt, weiter informieren.
Wir wollen eine Verbindung schaffen zwischen dem, was hier in Erfurt passiert und der Realität an den europäischen Außengrenzen, die viele Menschen nur aus den Medien kennen. Wir möchten zeigen, dass uns alle die systematische Gewalt und Abschottung gegen Menschen an den EU-Außengrenzen etwas angeht. Das Thema Flucht bekommt durch die Wegweiser im Erfurter Stadtbild Aufmerksamkeit und erreicht auch Menschen, die sich sonst nicht damit beschäftigen.
Wir haben insgesamt acht Wegweiser vor Erfurter Cafés und Kulturräumen aufgestellt. Aktuell (Stand 20.05.2023) stehen sie:
am Kulturbahnhof Zughafen
am Café Hilgenfeld auf dem Campus der Universität Erfurt
an der Frau Korte
an der KreativTankstelle
im Charlotte-Eisenblätter-Haus der Naturfreundejugend Thüringen
Auf folgende Orte der Abschottung weisen die Pfeile:
Laut UNO Flüchtlingshilfe Deutschland liegt im Mittelmeer die tödlichste Seeroute der Welt. Doch für viele Menschen ist dieser Fluchtweg der einzige Ausweg: In ihren Heimatländern herrscht Krieg, sie werden dort diskriminiert oder verfolgt, sind betroffen von Hunger, Armut oder Naturkatastrophen. Weil Menschen keine Perspektive für sich und ihre Familie mehr haben, suchen sie woanders nach Schutz und einem sicheren Leben. Von den nördlichen Küsten Afrikas und der Türkei aus versuchen jedes Jahr tausende Menschen Europa über das Mittelmeer zu erreichen - oft in seeuntauglichen und überfüllten Booten.
Im Jahr 2022 verloren 2.406 Menschen auf der Überfahrt ihr Leben oder gelten als vermisst (Quelle: Missing Migrants Project). Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Seit 2019 findet keine staatliche Seenotrettung seitens der EU mehr statt. Diese wichtige Aufgabe übernehmen private Such- und Rettungsorganisationen wie Sea Watch, Mission Life Line, oder Open Arms. Die EU kümmert sich unterdessen um die Aufrüstung der "Grenzschutzagentur" Frontex und um die Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache, die Geflüchtete auf dem Meer gewaltvoll und in illegaler Weise zurückdrängen.
Die private Seenotrettung wird zusätzlich von EU-Staaten kriminalisiert und behindert: Italien weist den Schiffen mit Geretteten an Bord gezielt erst nach tagelangem Ausharren auf hoher See einen besonders weit entfernten Hafen zu, um sie möglichst lange von weiteren Rettungseinsätzen abzuhalten. Auch das deutsche Bundesverkehrsministerium plant aktuell eine Verschärfung der Schiffssicherheitsverordnung, die die zivile Seenotrettung unter deutscher Flagge im Mittelmeer massiv einschränken würde (Quelle: tagesschau.de)
In Griechenland, Italien und Malta stehen immer wieder Seenotretter:innen, aber besonders oft Geflüchtete selbst vor Gericht - weil sie ein Fluchtboot gesteuert oder anderen geholfen, sie gar vor dem Ertrinken bewahrt haben. Ihnen drohen oft jahrzehntelange Haftstrafen (Quelle: Süddeutsche Zeitung).
Europa schottet sich ab, Menschenrechte werden tausendfach mit Füßen getreten. Um das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden, braucht es legale und sichere Fluchtwege.
Seit 2021 werden geflüchtete Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze zum Spielball politischer Machthaber in Europa. Der belarussische Präsident Lukaschenko verkündete aus politischem Kalkül, Migrant*innen nicht mehr am Grenzübertritt über Belarus nach Polen - und damit in die EU - zu hindern. Tausende Menschen versuchten seitdem, die Grenze zu überwinden, werden jedoch vom polnischen Grenzschutz zurückgedrängt (Quelle: Pro Asyl). Polen baut sogar einen 2,5 Meter hohen Grenzzaun. Die Menschen müssen im Niemandsland zwischen den beiden Ländern ausharren, werden auf der einen Seite von belarussische Soldat*innen in Richtung Polen , auf der anderen Seite von polnische Grenzschützer*innen nach Belarus gedrängt. In den letzten 1,5 Jahren wurden nach Angaben der polnischen Grenzbeamt*innen mehr als 50.000 Pushbacks nach Belarus durchgeführt (Quelle: Seebrücke). Seit Beginn der humanitären Krise wurden mindestens 28 Todesfälle auf beiden Seiten der Grenze bestätigt, wobei die tatsächliche Zahl deutlich höher geschätzt wird (Quelle: Bericht von Grupa Granica).
Diejenigen Menschen, die es trotz allem schaffen, nach Polen zu gelangen, werden bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Haft genommen, ganz egal, ob Erwachsene oder Kinder.
Hintergrund der menschenunwürdigen Situation ist die Präsidentschaftswahl in Belarus im Jahr 2020, nach der tausende Menschen auf die Straße zogen, um gegen die belarussische Regierung zu demonstrieren. Das gewaltsamen Vorgehen der belarussischen Regierung gegen die Demonstrant*innen veranlasste die EU, Sanktionen gegen Belarus zu verhängen. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko "bot" daraufhin geflüchteten Menschen an, über Belarus nach Polen einzureisen - und führte die Eskalation an der polnisch-belarussischen Grenze bewusst herbei, um Druck auf die Migrationspolitik der EU auszuüben (Quelle: Deutschlandfunk).
Wir dürfen nicht wegsehen bei dem, was an den EU-Außengrenzen geschieht! Kein Mensch ist illegal. Wenn Geflüchtete als vermeintliche "Waffe" instrumentalisiert werden, liegt es an der EU, dieses perfide Spiel nicht mitzuspielen, sondern sie zu entkriminalisieren und ihnen den Zugang zu ihrem Recht auf Asyl zu gewähren. Kein Pushback ist legal!
Wer macht was dagegen? Das No Borders Team ist ein Kollektiv, das an der polnisch-belarussischen und polnisch-ukrainischen Grenze aktiv ist. Es dokumentiert die dortige Gewalt gegen Menschen auf der Flucht und in Abschiebegefängnissen und unterstützt schutzsuchende Menschen . Selbstorganisiert leisten Aktivist:innen dort erste Hilfe, bringen Menschen Nahrung und trockene Kleidung, vermitteln Inhaftierten in den Abschiebegefängnissen Übersetzer:innen und Anwält:innen, unterstützen sie im Asylverfahren und organisieren Solidaritätskundgebungen für die protestierenden und hungerstreikenden Inhaftierten.
Die Grenze zwischen Polen und Belarus ist kein Einzelfall. An den Grenzen auf der sogenannten "Balkanroute" (Wegstrecke von der Türkei nach Westeuropa) werden die ständig stattfindenden Pushbacks von Organisationen wie dem Border Violence Monitoring Netzwerk (BVMN) dokumentiert.
Mit der Balkanbrücke hat sich ein Zusammenschluss aus Aktivist*innen gegründet, die auf die Situation von People on the Move entlang der sogenannten „Balkanroute“ aufmerksam machen.
Im September 2020 zerstörte ein Brand das Flüchtlingslager Moria. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 12.000 Menschen in dem Lager. 12.000 Menschen, die nach dem Brand wochenlang keine Unterkunft und keinen Zugang zur Grundversorgung hatten (Quelle: Amnesty International). Nach Wochen wurden die Menschen in einem neueingerichteten provisorischen Camp untergebracht: Camp Mavrovouni. Es befindet sich direkt an der Küste Lesbos, und setzt die die dort untergebrachten Menschen damit Wetter und Witterung ungeschützt aus. Der Zugang zum Camp ist für NGOs und Helfer*innen restriktiv festgelegt, zudem gibt es Ausgangsverbote und Beschränkungen für die Menschen, die im Camp leben müssen. Sie werden sowohl von Kontakt nach außen als auch von sozialen, medizinischen und rechtlichen Beratungsmöglichkeiten abgeschottet.
Das Camp Mavrovouni auf Lesbos steht stellvertretend für viele weitere Lager an den EU-Außengrenzen. Die dort untergebrachten Menschen müssen Monate, manchmal Jahre auf den Beginn und Abschluss ihres Asylverfahrens warten. Während dieser Zeit dürfen sie die Insel nicht verlassen. Sie haben keine Möglichkeit, diesen unmenschlichen, gefährlichen und traumatischen Lebensbedingungen zu entkommen.
Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern sind gewollt und ein bewusstes Element der europäischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik. Es handelt sich nicht um eine „humanitäre Katastrophe“, sondern um die Folgen gewollter politischer Entscheidungen. Inzwischen gibt es sogar Gerichtsurteile, die bestätigen, dass die Bedingungen in den Lagern gegen Menschenrechte verstoßen (Quelle: Institute for International Law of Peace and Armed Conflict, IFHV)
In den kommenden Monaten dieses Jahres 2023 soll auf Lesbos das neue Lager Vastria (ein sogenanntes Closed Control Access Centre) eröffnet werden. Es liegt 40 Kilometer enttfernt von der Inselhauptstadt Mytilene, inmitten eines Waldes, in der Nähe einer Mülldeponie und wird von Stacheldrahtzäunen und Betonmauern umgeben sowie rund um die Uhr überwacht sein.
Wir fordern die Abschaffung dieser Lager, um den Menschen, die bereits auf der Flucht vor Krieg und unmenschlichen Zuständen ihr eigenes Leben riskieren, eine echte Perspektive und einen würdigen Neuanfang zu ermöglichen!
Dafür organisieren auch auf Lesbos Menschen auf verschiedenen Wegen solidarische Projekte und Alternativen:
Now You See Me Moria, ein aktivistisches Gemeinschaftsprojekt und Kollektiv, dokumentiert mit Fotografien die Lebenssituation im Lager und wendet sich mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit:
Das Legal Centre Lesvos unterstützt seit August 2016 Migrant:innen, die auf dem Seeweg nach Lesbos gekommen sind, kostenlos und individuell mit rechtlichen Informationen und Beratung.
Als politisches Statement gegen die übliche Inhaftierung von Geflüchteten in Lagern baute ein Solidaritätsnetzwerk ab 2012 das Camp "Pikpa" auf Lesbos auf - ein offenes Camp für Geflüchtete. Menschen bekamen dort, auch in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung, medizinische und praktische Unterstützung, Essen und Bildung wurde auch Menschen außerhalb des Camps zugänglich gemacht. Familien wurden nach dem Verlust ihrer Angehörigen bei Schiffsunglücken mit Beerdigungen und Identifizierungsprozess. Im Oktober 2020 wurde Pikpa nach 8 Jahren von den griechischen Behörden geräumt. Aus der Organisierung ging die NGO Lesvos Solidarity hervor.
Flüchtlingslager existieren nicht nur tausende Kilometer weit weg in Griechenland oder Nordafrika. In Thüringen sind viele Geflüchtete in Lagern untergebracht. Eines der größten ist die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl in Südthüringen. Obwohl es nur als Durchgangslager gedacht ist, leben hunderte Menschen dort über Monate unter extrem schlechten Bedingungen. Abgelaufene Lebensmittel, kaum oder keine ärztliche Versorgung, fehlende Privatsphäre, Isolation und Schikanen durch Security gehören zum Alltag. Viele geflüchtete Menschen müssen auf engstem Raum zusammenleben. Die Verantwortlichen vor Ort scheinen chronisch unterbesetzt und überfordert, politisch Verantwortliche nicht (genug) an einer Verbesserung der Zustände interessiert zu sein.
Das Security-Personal fällt immer wieder durch Übergriffe, rassistische Äußerungen und Beleidigungen bis hin zu körperlichen Angriffen auf. Ein rechtsextremer Security-Mitarbeiter, der Ende 2021 Bewohner*innen rassistisch beleidigte und bedrohte, saß eine kurze "Auszeit" sowie eine Schulung ab und arbeitet nun wieder in der Erstaufnahmeeinrichtung (Quelle: mdr). Diese gewaltvolle Umgebung hat verheerende psychische Folgen für die von der Flucht traumatisierten Menschen. All das findet in einem bedrohlichen Gesamtklima statt: 2022 gab es laut Bundesinnenministerium 121 Angriffe gegen Geflüchtetenunterkünfte in Deutschland, deutlich mehr als in den Vorjahren (Quelle: Tagesschau).
Im Theaterprojekt des Flüchtlingsrates Thüringen arbeiten ehemalige Bewohner:innen den rassistischen Alltag in Suhl und anderen Thüringer Unterkünften auf. Dabei entstand 2022 die Performance "Im Eisernen Herzen Thüringens - Innenansichten aus Suhl". Video der Performance.
Das Netzwerk Lager-Watch Thüringen hat sich gegründet, um die Zustände in Suhl und anderen Lagern zu dokumentieren und dagegen aktiv zu werden.
Wir fordern: Lager abschaffen! Dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes und würdiges Wohnen für alle ermöglichen!
Laut dem Bericht der Abschiebungsbeobachtung Frankfurt am Main schob die Bundesregierung im Jahr 2021 11.982 Menschen aus Deutschland ab, darunter 1.915 Minderjährige. 10.349 Menschen wurden auf dem Luftweg abgeschoben, die meisten von ihnen (3.371) vom Flughafen Frankfurt am Main. Offiziell verwendete die Bundespolizei in Frankfurt gegen 716 Menschen "Hilfsmittel der körperlichen Gewalt".
Von den insgesamt abgeschobenen Menschen wurden 2.656 Menschen aufgrund der Dublin-Verordnung ausgewiesen (Quelle: Tätigkeitsbericht der Abschiebebeobachtung Frankfurt am Main, Caritasverband). Das sind beispielsweise Abschiebungen nach Polen, wo die Menschen bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in Haft genommen werden - egal ob Erwachsene oder Kinder.
Von den Abschiebeflügen profitieren die Lufthansa und weitere Unternehmen (Quelle: No Border Assembly).
Die Abschiebungen finden in Herkunftsländer statt, die die Menschen aus verschiedenen Gründen, wie Krieg oder Verfolgung, verlassen haben. Zum Beispiel wurde im März 2023 eine Frau trotz des aktuell verhängten Abschiebestopps in den Iran vom Frankfurter Flughafen in den Iran "zurückgewiesen" und von dort weiter nach Afghanistan abgeschoben (Quelle: Hessischer Flüchtlingsrat).
Das Land Thüringen schob im Jahr 2022 insgesamt 238 Menschen ab (Quelle: Die Zeit). Wir fordern: Stop Deportation!
Wer macht was dagegen? Das Projekt Deportation Alarm informiert über anstehende Abschiebeflüge.
Der Brandenburger Landtag beschloss Ende 2022 die Finanzierung des geplanten Abschiebezentrums am Flughafen BER. Mehr als 80 Organisationen positionieren sich öffentlich gegen die Errichtung und Inbetriebnahme des sogenannten "Ein- und Ausreisezentrums", zu dem auch 120 Haftplätze für Menschen, die abgeschoben werden sollen, gehörden (Stellungnahme: Flüchtlingsrat Brandenburg). Die Initiative Abschiebezentrum BER verhindern stellt sich weiter dagegen: "Unser Kampf geht weiter, solange bis das Abschiebezentrum BER verhindert wurde!" Vom 1. bis 6. Juni 2023 organisiert die Initiative ein Stop Deportation! Protestcamp in Schönefeld.
In Erfurt leben über 21.000 Austauschstudierende, Migrant:innen, Geflüchtete oder emigrierte Fachkräfte. Eine Behörde entscheidet über ihr tägliches Leben: die Ausländerbehörde.
In der Erfurter Behörde herrschen zahlreiche Missstände, die seit Jahren bekannt sind. Bereits 2019 wiesen Betroffene und Unterstützer:innen mit einem offenen Brief [1] und Protesten auf der Straße auf die Diskriminierung, Willkür, Ignoranz und Angstmache hin, die sie durch die Ausländerbehörde erfahren: Wichtige Ausweisdokumente oder Aufenthaltstitel werden teils über Monate bis Jahre nicht ausgestellt. Das Ersatzpapier, das Menschen übergangsweise von der Behörde erhalten, wird von anderen Institutionen oft nicht anerkannt. Ein großes Problem, denn in der Regel gilt: ohne gültige (und anerkannte) Papiere keine Wohnung, kein Konto, kein Arbeitsvertrag, bedrohliche Erfahrungen in Polizeikontrollen - ausgelöst durch die Zettelwirtschaft der Ausländerbehörde. Diese war schon lange schlecht für Menschen mit Anliegen erreichbar, während der Coronapandemie zeitweise gar nicht. Wiederholt berichten Menschen von ignorantem oder sogar rassistischem Verhalten durch Mitarbeiter*innen.
Zur Aufgabe der Ausländerbehörde gehören auch Abschiebungen. Das heißt: Menschen werden gewaltvoll aus ihrem sozialen Umfeld gerissen, von ihren Familien getrennt und an Orte gebracht, die sie aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben. Diese Gewalt ist grundsätzlich abzulehnen.
2022 hat die Initiative "Wir sind Menschen, keine Akten" den Kampf gegen die Missstände in Erfurt erneut aufgenommen.
Das Netzwerk Soli-Asyl Thüringen unterstützt Menschen, die in Thüringen von Abschiebung bedroht sind.
Die Situation in Erfurt ist kein Einzelfall: Ausländerbehörden in ganz Deutschland sind Ausdruck von strukturellem Rassismus. Die Tragweite des Problems "Ausländerbehörde" zeigt z. B. die ZDF Magazin Royale Folge vom 9. Dezember 2022. Wir fordern: Stop making fear !
[1] * Verfasser*innen des Briefes war der Migranten Omid Verein Erfurt e.V. mit Unterstützung vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V., dem Sprachcafé Erfurt, der Refugee Law Clinic Jena e.V., dem Büro für ausländische MitbürgerInnen, dem Institut für Berufsbildung und Sozialmanagement und dem Caritasverband des Bistums Erfurt e.V. Mehr Infos in der Pressemitteilung des Thüringer Flüchtlingsrats.
Update: Wegweiser vs. Ordnungsbehörde
20.05.2023
Anfang Mai 2023 hat die Erfurter Ordnungsbehörde zwei unserer Wegweiser entwendet - wir haben sie uns zurückgeholt und lassen das nicht kommentarlos stehen.
Viele haben es sicher mitbekommen: Aus dem Zurückholen unserer einkassierten Wegweiser haben wir kurzerhand eine Demo gemacht, mit der wir am Dienstag gemeinsam vom Bürgeramt aus durch Erfurt gezogen sind und gegen die vielen Facetten tödlicher Abschottungspolitik protestiert haben.
Anfang Mai hat das Erfurter Ordnungsamt zwei unserer orangenen Wegweiser entfernt und "sichergestellt" - einen beim Café Hilgenfeld am Domplatz und einen an der Franz Mehlhose. Am Café Nomad sind wir dem zum Glück zuvorgekommen. Die Wegweiser stehen seit Mitte April an Cafés und Kulturorten in Erfurt.
Die Räumung der Kunstinstallationen hat die Stadtverwaltung mit fehlenden Sondernutzungsgenehmigungen begründet. Darum wurden nun Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen „unerlaubter Sondernutzung“ gegen uns eingeleitet. Die Stadt möchte auch, dass wir „den Abtransport und die Verwahrung“ der Wegweiser bezahlen. Also: Kilometerpauschale für den Transporter, Arbeitszeit der schwer tragenden Ordnungskräfte und die mehrtägige Unterstellung im Keller vom Bürgeramt.
So weit, so nervig. Doch was wir sehr viel spannender finden: Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung sagten uns mehrfach, dass sich auf den Wegweisern vermeintlich illegitime Inhalte befinden würden, die dort nicht stehen dürften. Als Beispiel nannten sie unsere Kritik an der Erfurter Ausländerbehörde, die angeblich nicht zutreffen würde. Wer genau da entschieden hat, dass es in der Ausländerbehörde gar keine Probleme mit Diskriminierung und Willkür gibt, wissen wir leider nicht.
Sollte unsere Kritik an einer städtischen Behörde mit ein Grund für den – unserer Meinung nach recht drastischen – Umgang mit den Wegweisern sein, fänden wir das ganz schön problematisch. Wir kümmern uns um die Aufklärung des Ganzen. Unser Ziel ist, dass die Wegweiser bald wieder draußen und gut sichtbar stehen können!
Ein Weg dahin kann sein, diese geforderten Sondernutzungsgenehmigungen zu beantragen, sodass die Wegweiser ganz bürokratisch legalisiert und nicht mehr der Ordnung zuwider stehen. Wir werden sehen, ob das Erfolg hat. Aus der Stadtverwaltung wurde uns angedeutet, dass die Bearbeitung eines solchen Antrags wohl gut zwei Monate dauern würde - und dass eine Genehmigung für die Wegweiser aus "stadtbildpflegerischen Gründen" grundsätzlich sehr unwahrscheinlich sei. Als Grund dafür wurde uns unter anderem die Farbe Orange genannt. Das kam uns schon etwas komisch vor.
Vielleicht nicht verkehrt, das rechtlich zu prüfen – denn so sicher ist sich die Ordnungsbehörde ihrer Sache offenbar nicht: Kurzzeitig wurden wir in aller Deutlichkeit aufgefordert, auch den Wegweiser an der Frau Korte innerhalb eines Tages zu räumen, bevor sie es tun – bis die Behörde gemerkt hat, dass er doch auf Privatgelände steht.
Wir werden sehen, ob die Stadt Erfurt gewillt ist, den Wegweisern im öffentlichen Raum Platz zu machen. Wenn nicht, machen wir uns eben auf die Suche nach Orten, an denen sie willkommen sind.
Nun stehen die drei befreiten und geretteten Wegweiser stehen erstmal im Charlotte-Eisenblätter-Haus der Naturfreundejugend und Naturfreunde Thüringen in der Johannesstraße. Dort können sie zur Öffnungszeit gerne besucht werden. Auch an der Frau Korte, am Café Hilgenfeld auf dem Campus der Universität Erfurt, an der KreativTankstelle und am Zughafen Kulturbahnhof stehen unsere übrigen Wegweiser weiterhin. Wir freuen uns, dass auch vor dem Jugendhaus Domizil für kurze Zeit ein Wegweiser stehen konnte.
Die Wegweiser sind kein Selbstzweck. Mit ihnen und mit unserem Protest auf der Straße wollen wir auf Orte der Abschottung hinweisen und unsere Forderungen laut und deutlich machen: für eine menschenwürdige Migrationspolitik statt weitere Verschärfungen des tödlichen europäischen Grenz- und Abschieberegimes!
Bundesregierung und Innenministerium haben sich gerade auf ihre gemeinsame Position für die zukünftige EU-Asylpolitik geeinigt: Schutzsuchende Menschen sollen bereits an den europäischen Außengrenzen abgefangen und bis zu einer Prüfung des Asylgrundes inhaftiert werden. Sollte das auf EU-Ebene besiegelt werden, droht die Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl — oder zumindest von dem, was davon noch übrig ist.
Wir haben darüber mit Radio F.R.E.I. gesprochen: Interview mit Lukas und Nina von der Seebrücke Erfurt, 18.05.2023
Ehemalige Kampagnen
Erfurt soll sicherer Hafen werden!
Unsere PRESSEMITTEILUNG findet ihr hier!
Unterstütze uns dabei, damit auch Erfurt endlich Sicherer Hafen ist:
1. Offener Brief
Unterzeichne unseren Offenen Brief “Erfurt zum Sicheren Hafen!” an den Oberbürgermeister und die Stadträt*innen der Stadt Erfurt.
Den Brief in vier Sprachen [Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Dari] findest du hier.
2. Social-Media Video
Warum findest du, dass Erfurt Sicherer Hafen werden soll?
Schick uns dein Statement als Text, Foto oder Video per E-Mail oder Social Media zu bzw. poste es selbst unter dem Hashtag #OpenErfurt. (Dein Gesicht und dein Klarname sind dafür nicht erforderlich.)
3. Online Petition
Fordere gemeinsam mit uns den Oberbürgermeister und die Stadträt*innen von Erfurt auf, zu handeln, statt wegzusehen!