02.11.2022 · Kommentar:Kommentar: Aufnahmeprogramm ist da – viel zu spät und unzureichend

Es ist soweit: Das so lange von uns geforderte Bundesaufnahmeprogramm für verfolgte Afghan*innen soll nun tatsächlich kommen. Am 17. Oktober verkündeten Annalena Baerbock und Nancy Faeser gemeinsam in einer Presseerklärung endlich den Start des Programmes. 
„Gut Ding will Weile haben“ könnte man bei wohlwollender Betrachtung der über einjährigen Verzögerung des längst überfälligen Aufnahmeprogramms meinen. Doch leider können die Ankündigungen des BAP nicht einmal ansatzweise das leisten, was eigentlich so dringend nötig wäre: Eine schnelle und unbürokratische Evakuierung sämtlicher verfolgter Menschen in Afghanistan.

Es bleibt noch immer viel zu vage, schreibt deutlich zu geringe und realitätsferne Obergrenzen fest, überträgt NGOs vor Ort die Verantwortung zur Umsetzung von Anlaufstellen und überlässt schließlich einem Algorithmus die Prüfung der Anträge. Mit diesem Programm wird sich mal wieder nichts wirklich verändern! Für einen Großteil der akut bedrohten Menschen in Afghanistan und in den benachbarten Staaten wird es weiterhin unmöglich sein, das Land zu verlassen. Sie werden weiterhin als Geiseln der menschenverachtenden Taliban-Herrschaft tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen. Sie werden weiterhin bei Anschlägen durch den IS und Übergriffen durch die Taliban verletzt oder getötet werden. Sie werden weiterhin in den Lagern in den benachbarten Staaten ausharren müssen. 

Eine ausführliche Kritik an den Ankündigungen zu dem Bundesaufnahmeprogramm der Bundesregierung könnt ihr hier lesen. 
Im vergangenen Jahr hat die Seebrücke zusammen mit vielen weiteren Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen für die Umsetzung eines Bundesaufnahmeprogramms für verfolgte Afghan*innen gekämpft. Unter dem Slogan Don´t forget Afghanistan sind wir gemeinsam im Februar und im August mit tausenden Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. Wir haben afghanische Aktivist*innen aus ganz Deutschland bei der Organisation eines ein zwei-tägigen Protestcamps im Berliner Regierungsviertel unterstützt. Bundesweit wurde mit unzähligenAktionen, darunter Mahnwachen, Kundgebungen, Infoständen, Fylerverteilungen uvm. versucht auf die menschenunwürdige Situation in Afghanistan aufmerksam zu machen. Zusammen mit der Kabulluftbrücke hat die Seebrücke eine Mailing-Aktion an Abgeordnete des Bundestags initiiert, gemeinsam haben wir Vereine und Verbände angeschrieben und gebeten sich für ein Bundesaufnahmeprogramm einzusetzen.

Auch wenn die nun veröffentlichen Pläne für das Bundesaufnahmeprogramm nach all dieser Arbeit nun insgesamt enttäuschend ist, so sehen wir bei aller Kritik auch, dass dieses Programm trotzdem ein wichtiger Schritt ist und für alle Menschen in Afghanistan und ihre Angehörigen in Deutschland. Es ist und ein weiterer Hoffnungsschimmer und für jede Person die damit zusätzlich aus Afghanistan evakuiert werden kann, hat sich all die Mühe gelohnt. Deshalb sind die Ankündigungen zu dem Bundesaufnahmeprogramm, auch wenn sie weit unter unseren Erwartungen liegen, für uns kein Grund zu resignieren. Wir werden weiter stellvertretend für die verfolgten Menschen in Afghanistan Druck auf der Straße aufbauen, den zügigen Start des Programms fordern und die konkrete  Umsetzung kritisch begleiten. Gerade jetzt ist es wichtig den Druck auf die Bundesregierung weiterhin hoch zu halten. Wie bleiben bei unserer Forderung: Don´t forget Afghanistan – Eine schnelle und unbürokratische Aufnahme aller verfolgter Afghan*innen jetzt!